Mein Name ist Markus Hubel und ich bin aus dem 20. PPP. In diesem Beitrag möchte ich euch über die zweite Hälfte meines Austauschjahres erzählen, der Praktikumsphase.
In meinem Programmjahr 2003/04 hatte ich das seltene Glück nur eine einzige Bewerbung für eine Praktikumsstelle schreiben zu müssen. Während für andere Programmteilnehmer die Jobsuche im PPP eine richtige Herausforderung war, hatte ich meine Praktikumsstelle in etwa einem halben Tag organisiert.
Ich war in meinem Programmjahr in Südost Kansas in Grenznähe zu Oklahoma platziert. Durch einen Kontakt am College hatte ich eine Stellenanzeige eines Farmers gefunden, der einen “General Farm Assistant” suchte. Nach einem Telefonat und einem kurzen Vor-Ort-Besuch war ich eingestellt. Den Job auf der Farm in Kansas bekam ich damals also quasi im Handumdrehen. Mein Eindruck ist, dass in ländlichen Gebieten des mittleren Westens viele Farmer laufend Personal suchen, sei es für Saisonarbeiten oder für ganzjährige Anstellungen.
Mitbringen sollte man als Bewerber natürlich etwas handwerkliches Geschick und idealerweise Vorerfahrung im technischen oder landwirtschaftlichen Bereich. Dies ist aber meiner Meinung nach kein Must-have. Großes Fachwissen war als Grundvoraussetzung in meinem Fall nicht erforderlich. Auch ich konnte keine einschlägige landwirtschaftliche Ausbildung vorweisen. Mit einer technischen Berufsausbildung, wie man sie in Deutschland kennt, kann man aber in jedem Fall punkten. Viele Arbeiter auf Farmen sind im Vergleich dazu eher schlechter ausgebildet.
Nachteile des Jobs sind lange Arbeitstage und Arbeiten im Freien bei fast jedem Wetter. Wenn man sich damit arrangieren kann, bietet ein Farmjob den Vorteil, dass man die nähere Region, in der man sich befindet, gut kennenlernt. Man sieht viel von Land und Leuten und erlebt mehr als dies in anderen Berufen vielleicht der Fall ist. Der Beruf bietet zudem einen hohen Frischluft Faktor und ist für Leute geeignet, die gerne praktisch arbeiten.
Da die Farmen in den USA vergleichsweise zu Deutschland recht groß sind und sich meist über weite Gebiete erstrecken, kommt man auch in den umliegenden Counties etwas herum. Dadurch erlebt man das tägliche Leben in der Countryside bzw. in Small town America abseits touristischer Zentren.
Meine Hauptaufgaben in dem Praktikum waren Feldarbeiten, also Traktorfahren sowie Reparaturen an Landmaschinen und Gebäuden, Bauarbeiten, Besorgungs- und Logistikaufgaben. Die Farm war Inhabergeführt und hatte etwa 20 Angestellte an mehreren Standorten. Neben einem Tierhaltungsbereich wurden 2200 ha Land bewirtschaftet. Kultiviert wurde Mais, Weizen, Soja, Hirse und Weideland. Auf einem Betrieb dieser Größe gibt es praktisch immer etwas zu tun.
Mit den Arbeitskollegen und Chefs hatte ich ein gutes Verhältnis. Es brauchte allerdings einige Zeit bis man die Leute erreichte und mit Ihnen bekannt wurde. Die Sprachbarriere war zu Beginn meiner Tätigkeit eine Herausforderung: Der regionale Slang und die vielen Fachbegriffe lassen einen mit einfachen Englischkenntnissen zunächst einmal etwas alt aussehen. Beeindruckt hat die Kollegen aber die Arbeitsmoral (work ethic): Wer seine Aufgaben zuverlässig erledigte wurde von allen schnell akzeptiert.
Ich hatte eine 50h Workweek mit den regelmäßigen Arbeitstagen von Montag bis Samstag. Samstagnachmittag und Sonntag waren frei. Urlaub (paid vacation), wie man ihn in Deutschland kennt, war im ersten Jahr im Unternehmen nicht vorgesehen. Diese branchenüblichen Arbeitszeiten mögen im ersten Moment schockierend klingen und sind auf längere Sicht sicher auch strapazierend. Die Amerikaner verbringen nach meiner Erfahrung deutlich mehr Zeit im Job als wir Deutsche das tun. Tatsächlich muss man aber auch sagen das der Arbeitsdruck in den USA geringer ist als in Deutschland. Die Angestellten und Vorgesetzten gingen das Arbeitsleben in meinem Fall lockerer an. Stress, Hektik oder Leistungsdruck suchte man im Allgemeinen vergebens. Der Job brachte zudem hinsichtlich der Tätigkeiten viel Abwechslung mit sich.
Sehr geholfen hat mir in meinem Praktikum, das es in Kansas zur damaligen Zeit ein sehr einfaches Führerscheinrecht mit nur drei Führerscheinklassen gab: PKW, Motorrad und LKW. Dies bedeutet, dass man all die großen Farm Maschinen ohne Führerschein (!) auf öffentlichen Straßen fahren durfte, ein entscheidender Vorteil bei der Bewerbung.
Gut gefallen hat mir an meinem Job viel in den Prärien unterwegs gewesen zu sein. Die Weite des Landes ist echt beeindruckend. Die Felder sind groß, das Land ist meist flach und wird oft nur von den typischen Gravel Roads im Schachbrettmuster durchzogen. Kansas ist im Vergleich zu Deutschland dünn besiedelt. Die Landschaft war neben Feldern und Wäldern von den kleinen Erdölförderpumpen (oil well pumps) und den Kansas Windmills geprägt. Ich konnte das Midwest Feeling und die Jahreszeiten (seasons) während meinem Praktikum intensiv genießen.
Besondere Erlebnisse gab es natürlich auch: So erlebte ich in der Tornado Saison einmal ein heftiges Unwetter bei dem starker Wind aufkam, sich der Himmel dunkelgrün färbte und man nicht mehr so genau wusste, was im nächsten Moment passiert. Tornados mit gewaltiger Zerstörungskraft sind in Kansas zur Saison leider keine Seltenheit. Zudem machten Floodings nach schweren Regenfällen und starker Schneefall im Winter die Straßen öfters nur schwer passierbar. Insgesamt ist das Klima in Kansas deutlich rauher bzw. extremer – im Sommer heißer und im Winter kälter als man es in Deutschland gewohnt ist. In Erinnerung habe ich auch heute noch die Begegnungen mit dem Wildlife, also den freilebenden Tieren im Midwest. Viele Tierarten sind für uns Deutsche unbekannt und bisweilen sogar gefährlich: Dazu zählen Schlangen, die im Sommer häufig angetroffen werden, aber auch Kojoten, Hornissen und giftige Spinnen. Gottseidank ist mir aber nie irgendetwas passiert.
Ich bin rückblickend heute froh darüber mein Praktikum auf der Farm absolviert zu haben. Es war für mich eine spannende, interessante und lehrreiche Zeit. Die Erlebnisse und Erinnerungen sind ein bleibender Wert des PPP. Ich kann jedem PPPler deshalb definitiv empfehlen auch unkonventionelle Wege bei der Wahl der Praktikumsstelle zu gehen.
Markus Hubel, 20. PPP (2003/2004)